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Mängel im „Bewertungsbericht“ des UN Hohen Kommissars für Menschenrechte zu China

 

Von ALFRED DE ZAYAS | Am 31. August 2022, dem letzten Tag von Michelle Bachelets vierjähriger Amtszeit als UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, veröffentlichte das Büro ein 46-seitiges Dokument, das meines Erachtens als propagandistisch, voreingenommen und methodisch fehlerhaft verworfen werden sollte. Dieses Dokument, das nicht vom Menschenrechtsrat in Auftrag gegeben wurde, doch nur auf Druck Washingtons und Brüssels auf das OHCHR zustande kam, trägt den oberflächlich neutralen Titel „Bewertung der Menschenrechtslage in der Autonomen Region Xinjiang Uigur“ [1] .

Bereits im Juni 2022, zu Beginn der 50. Sitzung des Menschenrechtsrates, bedauerte Chinas Botschafter Chen Xu die zunehmende „Politisierung“ des Rates und erinnerte die Mitglieder daran, dass „Desinformation weit verbreitet ist, was dem ursprünglichen Zweck des Menschenrechtsrates ernsthaft zuwiderläuft.“

Hochkommissarin Bachelet tat gut daran, noch vor Veröffentlichung der Xinjiang-„Bewertung“ nach Chile zurückgekehrt zu sein, bevor die ungustiösen und unproduktiven Debatten im Zuge der bevorstehenden 51. Sitzung des Rates vom 12. September bis 7. Oktober 2022 losgingen. Die chinesische Mission hat besagte „Bewertung“ bereits als unprofessionell und unvereinbar mit der ursprünglichen Erklärung zum Abschluss der Mission, die Michelle Bachelet nach ihrer erfolgreichen Mission in China und Xinjiang im Mai 2022 abgegeben hatte, zurückgewiesen [2]. Auch ich folge einer solchen Beurteilung und halte sie für ausgewogen, detailliert und konstruktiv [3]. Leider gelang es Bachelet nach ihrem gut vorbereiteten Besuch mit ihrer Erklärung nicht, die Kritiker aus Washington und Brüssel, welche die Situation in Xinjiang systematisch falsch darstellen und für ihren geopolitischen Hybridkrieg gegen China missbrauchen, verstummen zu lassen. Bachelets besonnene Erklärung hingegen, wurde mit Anfeindungen, Medienmobbing und Rücktrittsforderungen beantwortet.

„Bewertung“ aufgrund Schuldvermutung & Desinformationen

Die Hauptprobleme mit der „Bewertung“ ergeben sich aus der Methodik und Quellen. Wie die Ständige Vertretung Chinas in Genf feststellte, basiert die so genannte Bewertung „auf einer Schuldvermutung und verwendet als Hauptquellen Desinformationen und Lügen, die von chinafeindlichen Kräften fabriziert wurden. Die „Bewertung“ ignoriert vorsätzlich maßgebliche Informationen und objektive Materialien, die von der chinesischen Regierung zur Verfügung gestellt wurden. Sie verzerrt die Gesetze und die Politik Chinas auf bösartige Weise und verunglimpft den Kampf gegen Terrorismus und Extremismus in Xinjiang. Sie verschließt die Augen vor den enormen Errungenschaften im Bereich der Menschenrechte, die Menschen aller ethnischen Gruppen in Xinjiang gemeinsam erreicht haben.“ [4]

Natürlich wurde der Bericht nicht von Michelle Bachelet persönlich verfasst, weil sie bestimmt nicht ihren Worten widersprochen hätte, wie sie bereits in Guangzhou und vor der 50. Sitzung des Menschenrechtsrates im Juni 2022 gesagt hatte. Doch OHCHR-Berichte werden immer von OHCHR-Mitarbeitern und/oder Beratern verfasst, die nicht immer unparteiisch und frei von Vorurteilen sind und nicht immer alle Seiten des Geschehens ausgewogen widerspiegeln. Sie können durchaus persönliche Tendenzen ausweisen, indem sie auch gegen die Grundregel „audiatur et altera pars“ – alle Seiten anzuhören – verstoßen.

Inakzeptabler Druck durch das UN Büro

Als langjähriger Mitarbeiter des OHCHR, ehemaliger Sekretär des Menschenrechtsausschusses und Leiter der Petitionsabteilung (Registrar) habe ich in Jahrzehnten hingebungsvollen Dienstes für das Büro sowohl Gutes als auch Schlechtes sehen und erleben müssen. Als unabhängiger UN-Experte für internationale Ordnung (2012-18) war ich persönlich inakzeptablem Druck des Büros ausgesetzt, mit dem Versuch mich in eine gewünschte „Matrix“ zu zwingen, wodurch meine Rechte und Pflichten verletzt wurden, unabhängiger Forschung nachzugehen und zu meinen eigenen Schlussfolgerungen zu gelangen, doch nicht zu jenen, die mir von OHCHR-Mitarbeitern oder bestimmten militanten NGOs nahegelegt worden waren.

Bevor ich die erste UN-Mission nach 21 Jahren in Venezuela antrat, las ich alle einschlägigen Berichte von OHCHR, Amnesty International und Human Rights Watch. Als ich diese Berichte vor Ort überprüfte und nachdem ich Professoren, Kirchenvertreter, Oppositionelle, Minister und Staatsanwälte der Regierung sowie Nichtregierungsorganisationen aller Seiten des Spektrums mit gezielten Fragen konfrontiert hatte, ergab sich ein grundlegend anderes Bild, dass sich radikal von den OHCHR-„Berichten“ unterschied, welche Ideologen verfasst hatten, die nicht in Venezuela gewesen und auch nicht der Methode der Faktenerhebung gefolgt waren, wie ich es tat. Schlimmer noch, ich musste feststellen, dass das OHCHR in seinen Berichten entscheidende Informationen unterdrückt hatte, die zuvor von unabhängigen venezolanischen Nichtregierungsorganisationen wie Fundalatin, der Grupo Sures oder dem Red Nacional de Derechos Humanos zur Verfügung gestellt worden waren. Vor, während und nach meiner Mission in Venezuela erlebte ich gegenüber meinem Mandat eine ausgeprägte Feindseligkeit des OHCHR, die dahin resultierte, dass mir keine angemessene logistische und inhaltliche Unterstützung gewährt wurde und jede Bereitschaft fehlte, meine Ehre oder meinen Ruf zu verteidigen, wenn immer ich vor, während oder nach besagter Mission Einschüchterungen, Mobbing und Verleumdungen ausgesetzt worden war. [5]

Informationskrieg und anhaltende Sinophobie

Es mag sein, dass die westlichen Mächte einen kurzfristigen Sieg über China erringen und das OHCHR davon überzeugen konnten, eine „Bewertung“ abzugeben, die dem anhaltenden Informationskrieg und der Sinophobie Vorschub leistet und zum Markenzeichen bestimmter UN-Organisationen geworden ist. Die Andeutung, dass in Xinjiang „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ oder gar „Völkermord“ begangen worden sein könnten, ist eine unverantwortliche Übertreibung, Hetze und verstößt gegen Artikel 20 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, der Kriegspropaganda und Aufstachelung zu Rassenhass und Gewalt verbietet.

Die Mission der Hohen Kommissarin Bachelet im Mai 2022 in China führte zur Einrichtung einer Arbeitsgruppe, die den weiteren Dialog und die Zusammenarbeit zwischen OHCHR und chinesischen Behörden erleichtern sollte. Dies ähnelt meinem konstruktiven Vorschlag aus dem Jahr 2018, wonach das OHCHR in Venezuela für eine „Präsenz“ sorgen sollte, um professionelle und eben nicht propagandistische Bewertungen und Überwachungen durchzuführen. Ziel in China und in Venezuela sollte es sein, Opfern von Menschenrechtsverletzungen im Geiste internationaler Zusammenarbeit und Solidarität konkrete Hilfe angedeihen zu lassen.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob und inwieweit das Amt des Hohen Kommissars für Menschenrechte und der Menschenrechtsrat im Dienste westlicher Interessen tätig sind, inwieweit die Menschenrechtsanliegen der übrigen Menschheit berücksichtigt werden und inwieweit der Hohe Kommissar im Rahmen seines Mandats handelt, das in der Resolution 48/141 der Generalversammlung vom 20. Dezember 1993 [6] festgelegt ist.

Der Zwecke des Amts des Hohen Kommissars

Das Amt des Hohen Kommissars für Menschenrechte wurde nicht zum Zweck geschaffen, um „Namen zu beschädigen oder zu beschämen“, Spannungen zwischen Ländern zu schüren oder Desinformationen über Menschenrechtsverletzungen zu verbreiten. Der Hauptzweck des Hohen Kommissars besteht darin, die internationale Zusammenarbeit im Bereich der Menschenrechte zu fördern, alle Menschenrechtsaktivitäten der Organisationen der Vereinten Nationen zu koordinieren, die Vertrauensbildung zu verbessern und die Menschenrechte in einer Atmosphäre gegenseitigen Respekts, rechtlich verankert, einklagbar und durchsetzbar zu machen, gemäß den Zielen und Grundsätzen der UN-Charta.

Es ist wichtig, an die Satzung des Amtes des Hohen Kommissars zu erinnern, die folgendermaßen lautet:

  1. a) im Rahmen der Charta der Vereinten Nationen, der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und anderer internationaler Menschenrechtsübereinkünfte und des Völkerrechts tätig zu sein, einschließlich der Verpflichtungen, innerhalb dieses Rahmens die Souveränität, die territoriale Unversehrtheit und die innerstaatliche Rechtsprechung der Staaten zu achten und die allgemeine Achtung und Einhaltung aller Menschenrechte zu fördern, in der Erkenntnis, dass die Förderung und der Schutz aller Menschenrechte im Rahmen der Ziele und Grundsätze der Charta ein legitimes Anliegen der internationalen Gemeinschaft ist;

(b) sich von der Erkenntnis leiten lassen, dass alle Menschenrechte – bürgerliche, kulturelle, wirtschaftliche, politische und soziale – universell, unteilbar, voneinander abhängig und miteinander verknüpft sind und dass es, auch wenn die Bedeutung nationaler und regionaler Besonderheiten und verschiedener historischer, kultureller und religiöser Hintergründe berücksichtigt werden muss, die Pflicht der Staaten ist, unabhängig von ihren politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Systemen alle Menschenrechte und Grundfreiheiten zu fördern und zu schützen;

(c) anerkennen, wie wichtig es ist, eine ausgewogene und nachhaltige Entwicklung für alle Menschen zu fördern und die Verwirklichung des Rechts auf Entwicklung zu gewährleisten, wie es in der Erklärung über das Recht auf Entwicklung festgelegt ist“ [7].

Die Verantwortlichkeiten des Hohen Kommissars

Gemäß der Resolution sind Verantwortlichkeiten des Hohen Kommissars festgelegt:

(a) die tatsächliche Wahrnehmung aller bürgerlichen, kulturellen, wirtschaftlichen, politischen und sozialen Rechte durch alle zu fördern und zu schützen;

(b) die ihm/ihr von den zuständigen Organen des Systems der Vereinten Nationen im Bereich der Menschenrechte übertragenen Aufgaben auszuführen und Empfehlungen an diese Organe zu richten, um die Förderung und den Schutz aller Menschenrechte zu verbessern;

(c) die Verwirklichung des Rechts auf Entwicklung zu fördern und zu schützen und zu diesem Zweck die Unterstützung durch die zuständigen Organe des Systems der Vereinten Nationen zu verstärken;

  1. d) auf Ersuchen des betreffenden Staates und gegebenenfalls der regionalen Menschenrechtsorganisationen über das Menschenrechtszentrum des Sekretariats und andere geeignete Einrichtungen Beratungsdienste sowie technische und finanzielle Hilfe zu leisten, um Maßnahmen und Programme im Bereich der Menschenrechte zu unterstützen;

(f) eine aktive Rolle bei der Beseitigung der gegenwärtigen Hindernisse und der Bewältigung der Herausforderungen zu spielen, die der vollen Verwirklichung aller Menschenrechte entgegenstehen, und zu verhindern, dass Menschenrechtsverletzungen in der ganzen Welt fortgesetzt werden, wie dies in der Wiener Erklärung und dem Aktionsprogramm zum Ausdruck kommt;

(g) einen Dialog mit allen Regierungen bei der Umsetzung seines/ihres Mandats zu führen, um die Achtung aller Menschenrechte sicherzustellen;

(h) die internationale Zusammenarbeit zur Förderung und zum Schutz aller Menschenrechte zu verstärken;

(i) die Aktivitäten zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte im gesamten System der Vereinten Nationen zu koordinieren“.

Menschenrechte als Waffe sind inakzeptabel

Nirgendwo in der Resolution wird vorgeschlagen, dass der Hohe Kommissar seine/ihre Autorität nutzen sollte, um ein bestimmtes „Modell“ der Demokratie durchzusetzen, um „Namen zu beschädigen und zu beschämen“, zu tolerieren die Menschenrechte zur Waffe werden zu lassen, um geopolitische Agenden voranzutreiben oder um Sanktionen, Embargos oder Finanzblockaden zu befürworten. Im Gegenteil, die Funktion des Hohen Kommissars muss konstruktiv und nicht konfrontativ sein – sie muss Brücken bauen, den Dialog erleichtern, Maßnahmen zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen erarbeiten und die Ursachen von Menschenrechtsverletzungen untersuchen. Dementsprechend muss der Hohe Kommissar die Menschenrechte durch Beratung und technische Hilfe fördern und sich aktiv für eine „Kultur des Friedens“ dank Menschenrechten einsetzen, wie es in den Programmen der UNESCO für eine Kultur des Friedens vorgesehen ist [8].

Es liegt im Interesse der gesamten Menschheit, dass der Hohe Kommissar und der Menschenrechtsrat streng unparteiisch und professionell arbeiten und nicht dem Druck der „Geber“ nachgeben oder sich Erpressung beugen, wie es von zahlreichen Ländern regelmäßig praktiziert wird.

Natürlich wissen wir in der realen Welt, dass die Vereinten Nationen, der Sicherheitsrat, die Generalversammlung und das Economic and Social Council (ECOSOC) alle politisch sind. In welchem „Niemandsland“ könnten das OHCHR und der Menschenrechtsrat völlig „unpolitisch“ sein? Und doch, wenn das OHCHR und der Menschenrechtsrat Autorität und Glaubwürdigkeit haben sollen, müssen sie sich nach einem ethischen Kodex verhalten, einem Kodex der Unvoreingenommenheit, mit der einzigen Verpflichtung, die Menschenrechte und die Entwicklung für alle Mitglieder der Menschheitsfamilie voranzubringen.

Bald wird ein neuer Hoher Kommissar für Menschenrechte ernannt werden. Für die Zukunft des OHCHR und des Menschenrechtsrats ist es von entscheidender Bedeutung, dass ein echter Experte dafür ernannt wird, der das in der Resolution 48/141 der Generalversammlung festgelegte Mandat strikt einhält. Es wäre sehr schade für die Menschenrechte und Welt, wenn der neue Hochkommissar den Interessen bestimmter Länder dienen würde und die Gleichheit der Würde aller Menschen und den legitimen Anspruch aller Opfer von Menschenrechtsverletzungen auf Solidarität und Resozialisierung vergessen würde.

Zum Autor: Alfred de Zayas ist Rechtsprofessor an der Geneva School of Diplomacy und diente von 2012 bis 2018 als unabhängiger UN-Experte für internationale Ordnung. Er ist Autor von zehn Büchern, darunter „ Building a Just World Order “, Clarity Press, 2021. 

Übersetzung von Unser Mitteleuropa aus dem Englischen Original: Hier

Quellen

[1] https://www.ohchr.org/en/documents/country-reports/ohchr-assessment-human-rights-concerns-xinjiang-uyghur-autonomous-region

[2] https://www.ohchr.org/sites/default/files/documents/countries/2022-08-31/ANNEX_A.pdf

[3] https://www.ohchr.org/en/statements/2022/05/statement-un-high-commissioner-human-rights-michelle-bachelet-after-official

[4] http://geneva.china-mission.gov.cn/eng/ryrbt/202209/t20220901_10758786.htm

[5] https://undocs.org/Home/Mobile?FinalSymbol=A%2FHRC%2F39%2F47%2FAdd.1&Language=E&DeviceType=Desktop&LangRequested=False

[6] https://undocs.org/Home/Mobile?FinalSymbol=A%2FRES%2F48%2F141&Language=E&DeviceType=Desktop&LangRequested=False

[7] https://www.ohchr.org/en/instruments-mechanisms/instruments/declaration-right-development

[8] https://en.unesco.org/themes/building-peace-programmes


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2 Gedanken zu „Alfred de Zayas: „Chinafeindlichkeit ist Markenzeichen gewisser UN Agenturen!““
  1. What can you expect from a woman who has been living like a refugee in the DDr? Though she was twice president of Chile, she’s corrupt and rotten to the bone!

    1. „Was kann man von einer Frau erwarten, die wie ein Flüchtling in der DDr gelebt hat? Obwohl sie zweimal Präsidentin von Chile war, ist sie korrupt und verdorben bis auf die Knochen!“

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