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László Toroczkai · Bildnachweis: Lionel Baland

Von Lionel Baland

Kurz bevor Ungarn Anfang September wegen des Coronavirus seine Grenzen schloss, interviewte der belgische Journalist Lionel Baland, der sich auf patriotische Parteien in Europa spezialisiert hat, im Auftrag des französischen Online-Portals Breizh-info.com den ungarischen Nationalisten László Toroczkai. Toroczkai ist Bürgermeister der gleich an der Grenze zu Serbien gelegenen ungarischen Gemeinde Ásotthalom und hatte sich 2015 während der Migrationskrise, aber auch 2006 während der Unruhen gegen die sozialliberale Regierung in Ungarn durch sein Engagement gegen illegale Einwanderung einen Namen gemacht.

László Toroczkai war zuvor stellvertretender Vorsitzender der radikal-nationalistischen Partei Jobbik – bevor diese ihre Richtung völlig änderte und sich mit der liberalen Linken in einer gemeinsamen Anti-Orbán-Front verbündete -; er führt nun seine eigene Partei und erhielt bei den Europawahlen im Mai 2019 knapp über 3% der Stimmen.

Frage: Wann und warum haben Sie die Partei “Mi Hazánk Mozgalom” (“Bewegung Unsere Heimat”) gegründet?

László Toroczkai: 2018, weil wir damals Mitglieder der Jobbik waren und diese Partei ihre politische Linie geändert hatte. Wir wollten die ursprünglichen Ansichten der Jobbik bewahren, die einst nationalistisch war und danach zu einer linksliberalen Partei wurde, die sich der Koalition der linksliberalen Parteien anschloss. Wir wollten rechts bleiben und die ursprünglichen Ziele bewahren. Ich war stellvertretender Vorsitzender von Jobbik. Die Parlamentsabgeorndte Dóra Dúró und ich wurden rausgeworfen, nachdem wir die Position des damaligen Jobbik-Vorsitzenden Gábor Vona wegen dessen Abtrünnigkeit in Frage gestellt hatten. Wir haben dann Mi Hazánk Mozgalom mit den ursprünglichen Zielen von Jobbik gegründet; dennoch ist das Programm ist nicht dasselbe wie das von Jobbik, weil die Zeiten sich geändert haben. Wir haben viele neue Aufgaben, zum Beispiel haben wir einen Ökologen-Flügel. Das ist etwas Einzigartiges und Neues für eine radikal-nationalistische Partei: Wir sind auch grün, wir wollen die Natur und die Tiere verteidigen. Wir wollen aber auch unsere Traditionen bewahren. Wir vertreten eine traditionelle Vision in der Politik, wie Jobbik es in der Vergangenheit tat.

Wie erklären Sie sich, dass Jobbik seine politische Linie komplett geändert hat und nun mit den linksliberalen Parteien verbündet ist?

László Toroczkai: Weil die Führer von Jobbik schwach waren. Sie waren nur daran interessiert, Posten und Geld zu bekommen. Sie haben sehr materielle Ziele. Der andere Grund ist, dass die ungarische Politik heute in zwei Gruppen geteilt ist: die Konservativen von Fidesz und die liberale Linke. Wir bauen den dritten Weg, aber er ist sehr schwierig, weil Fidesz und die liberale Linke eine sehr starke Macht haben. Sie haben viel Geld und viele Medien. Wir sind die kleinsten, aber die jüngsten. Wir bauen unseren dritten Weg, und das ist sehr schwierig. Der ehemalige Führer der Jobbik hat seine Seele an den Feind verkauft. Er und die Jobbik sind zum Feind übergelaufen. Als wir Jobbik schufen, war die liberale Linke der Feind, und jetzt ist Jobbik bei der liberalen Linken.

Was halten Sie von der Fidesz-Politik von Premierminister Viktor Orbán?

László Toroczkai: Wir können einige Dinge unterstützen, wie zum Beispiel die Bekämpfung der Einwanderung oder die Politik der Familienförderung, aber nicht die Korruption und das luxuriöse Leben um die Parteiführer herum. Zum Beispiel war ein Regierungsminister auf einer sehr teuren Yacht in Kroatien im Urlaub [Es handelt sich um Péter Szijjártó, Minister für auswärtige Angelegenheiten und Außenhandel, Anm. d. Red.] Wir verstehen nicht, warum dies notwendig ist. Für uns ist es eine Provokation gegenüber dem Volk. Die Ungarn sind nicht reich. Wir gehören zu den Ärmsten in der Europäischen Union. Wir können daher dieses Verhalten nicht akzeptieren. Politik sollte dem Volk dienen, nicht es ausnutzen. Wir können auch nicht akzeptieren, dass Fidesz die Politik Israels ohne jede Kritik voll unterstützt.

Glauben Sie, dass Ihre Partei in Zukunft gemeinsam mit Fidesz an die Macht kommen könnte, wenn Sie zum Beispiel Abgeordnete stellen und Fidesz keine Mehrheit hätte?

László Toroczkai: Ich spreche nie über die Zukunft. Wie man auf Ungarisch sagt: “Wir werden die Brücke überqueren, wenn wir die Brücke erreichen.” Mein politischer Standpunkt hat sich bisher nie geändert. Meine Artikel aus der Vergangenheit – da ich bereits als Teenager Journalist war – kann ich heute mit dem gleichen Inhalt schreiben wie damals, vor 25 Jahren. Jede ungarische politische Partei, jeder ungarische Parteivorsitzende hat seine oder ihre Meinung geändert. Fidesz war in den 1990er Jahren eine liberale Partei. Jetzt ist sie national. Die Jobbik war nationalistisch und ist jetzt linksliberal oder zentristisch. Aber ich bin immer auf der gleichen Linie geblieben. Das ist das Wichtige, und wir werden in Zukunft sehen, ob sich das gelohnt hat und was passiert.

Video aus dem Jahre 2015: “Nachricht aus Ungarn an illegale Immigranten”

Was denken Sie über die ungarische Migrationspolitik und den Grenzzaun?

László Toroczkai: Der Grenzzaun war meine Idee. Ich war sehr glücklich, dass die Fidesz-Regierung meine Idee akzeptiert und übernommen hat. Vor einigen Tagen war die BBC hier [Interview Ende August 2020], und BBC-Mitteleuropa-Korrespondent Nick Thorpe gab mir ein Exemplar des Buches The Road Before Me Weeps: Auf der Flüchtlingsroute durch Europa, das er über diese Masseneinwanderung geschrieben hat. Er hat mich vor fünf Jahren interviewt, und ich habe damals über den Grenzzaun und das Schutzsystem gesprochen; danach hat er den Regierungssprecher Zoltan Kovács dazu befragt, der meine Idee ablehnte und sagt, dass es einen solchen Grenzzaun niemals geben würde. Das alleine belegt klar, dass es meine Idee war. Ich denke, dass Fidesz diesen Grenzzaun heute gerne benutzt, weil es für sie wahlpolitisch gut ist. Aber ich glaube, dass dieser Grenzzaun absolut notwendig ist, ich glaube daran. Ich muss meine Gemeinde, die an der Grenze liegt, verteidigen. Wir müssen Ungarn und Europa schützen. Dieses Grenzschutzsystem funktioniert, aber es ist nicht perfekt. Es ist das Beste, das wir bis jetzt in Europa erreichen konnten, und ich wünsche mir solche Grenzschutzzäune in ganz Europa. Das ist mein Ziel in Bezug auf die Masseneinwanderung.

Zuerst publiziert in französischer Sprache bei Breizh-info.com.

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