Slowakei: Thebener Johan­nis­beer­wein ist zurück

Johannisbeerplantagen oberhalb von Devín · Foto: Jana Liptáková

In den 1990er Jahren verschwand der Johan­nis­beer­wein (Ribi­sel­wein) aus Devín (Theben) fast voll­ständig, doch Augustín Mrázik machte sich daran, die Geschichte des Donau­dorfes wieder aufleben zu lassen. Dank seiner Bemü­hungen und der anderer lokaler Erzeuger können Besu­cher die lokale Spezia­lität wieder probieren.
 

„Meine Familie und ich leben seit fast 35 Jahren in Devín, und der Johan­nis­beer­wein hat schon immer zu Devín gehört“, sagt Mrázik, der von Beruf IT-Experte ist. „Ich konnte mir nicht vorstellen, dass der Johan­nis­beer­wein aus Devín verschwinden würde. Nachdem es mir nicht gelungen war, meine Winzer­freunde ausrei­chend zu moti­vieren, um die Tradi­tion zu retten, habe ich selbst mit der Produk­tion begonnen.

Die Wieder­be­le­bung der Johan­nis­beer­wein­pro­duk­tion stieß auf posi­tive Reso­nanz, und inzwi­schen gibt es in Devín mehrere Erzeuger, und weitere werden hinzukommen.

„Wir nehmen das sehr positiv auf“, erklärte Bürger­meis­terin Ľubica Kolková. „Wegen des massiven Rück­gangs der Anbau­flä­chen für Wein sind auch die Johan­nis­beeren keine leichte Aufgabe. Ich weiß, dass die Johan­nis­beeren immer knapper werden.“

Johan­nis­beer­wein in Devín

Johan­nis­beer- und andere Obst­weine werden in der ganzen Slowakei in kleinen Mengen von Fami­lien für den Eigen­be­darf herge­stellt, aber in Devín war es Alois Sonntag, der in den frühen 1920er Jahren mit der Massen­pro­duk­tion begann.

„Es war eigent­lich ein mutiger Versuch, der gut ausge­gangen ist“, sagt Mrázik, für den die Herstel­lung dieses Obst­weins haupt­säch­lich ein Hobby ist.

Seit dem zweiten Jahr­hun­dert vor Christus werden in Devín Wein­reben ange­baut. Johan­nis­beeren wurden hier erst nach dem Ende des 19. Jahr­hun­derts in größerem Umfang ange­pflanzt, nachdem die Reblaus Mitte des 19. Jahr­hun­derts die Wein­berge in ganz Europa zerstört hatte. Bis zur Anpflan­zung neuer Reben, als die euro­päi­schen Reben auf die resis­tenten ameri­ka­ni­schen Unter­lagen aufge­pfropft wurden, wurden Johan­nis­beeren für die Wein­her­stel­lung verwendet.

Später wurden die Johan­nis­beeren von Devín täglich nach Wien verschifft, aber nach der Auflö­sung Öster­reich-Ungarns im Jahr 1918 wurde die Grenze geschlossen und die Johan­nis­beer­bauern verloren ihren Markt. Zwei Jahre lang gab es keine Ernte, bis Sonntag auf die Idee kam, Wein zu produ­zieren. Er besaß selbst Johan­nis­beer­plan­tagen, sammelte sie aber haupt­säch­lich bei den Bauern der Umge­bung ein, die danach wieder mit dem Johan­nis­beer­anbau begannen. Sonntag lieferte den Wein an Restau­rants und Gast­stätten und expor­tierte ihn.

Histo­ri­sches Foto, das Alois Sonntag mit seiner Tochter zeigt · Quelle: Mit freund­li­cher Geneh­mi­gung von Augustín Mrázik

„Seitdem ist unser Johan­nis­beer­wein, der hier unter dem umgangs­sprach­li­chen Namen ríbezlák bekannt ist, ein weithin bekanntes Phänomen“, sagt Mrázik.

Nach dem Zweiten Welt­krieg und der Verstaat­li­chung war die Familie Sonntag gezwungen, Devín zu verlassen, und die Johan­nis­beer­wein­pro­duk­tion wurde von einer örtli­chen land­wirt­schaft­li­chen Genos­sen­schaft übernommen.

Johan­nis­beer­wein nach 1989

Die Genos­sen­schaft in Devín stellte 1996 die Produk­tion von Johan­nis­beer- und Trau­ben­wein ein, und nur wenige Einwohner von Devín stellten weiterhin Johan­nis­beer­wein her, aller­dings nur in kleinen Mengen für den Eigen­be­darf. Mrázik, der 1982 nach Devín zog, befürch­tete, dass die Region einen Pfeiler ihres unver­wech­sel­baren Charak­ters verlieren könnte.

Rote Johan­nis­beeren · Quelle: Jana Liptáková

Mrázik wollte nicht mit ansehen, wie dieser Teil der Tradi­tion verschwand, und nachdem es ihm nicht gelungen war, seine Winzer­freunde dazu zu bewegen, die lokale Produk­tion von Johan­nis­beer­wein zu retten, begann er 2007 selbst mit der Herstel­lung. Er grün­dete sein eigenes Wein­ge­schäft und begann mit Unter­stüt­zung von Otto Změlík, einem der beiden verblie­benen Johan­nis­beer­wein­pro­du­zenten in Devín, Johan­nis­beer­wein in größerem Umfang zu produ­zieren. Später kamen Štefan Vlček und einige Jahre später auch Pavel Kukel hinzu. In diesem Jahr beginnen auch die Winzer Peter Distler und Bene­dikt Halás mit der Herstel­lung von Johannisbeerwein.

Herstel­lung von Johannisbeerwein

„Johan­nis­beer­wein ist etwas Beson­deres; wenn er richtig herge­stellt wird, bewahrt er den charak­te­ris­ti­schen Geschmack von Johan­nis­beeren und ist unter den Obst­weinen in Bezug auf Geschmack, Säure, Farbe und allge­meinen senso­ri­schen Charakter dem Trau­ben­wein am nächsten“, so Mrázik.

Der tradi­tio­nelle Johan­nis­beer­wein ist süß. Der früher in Devín herge­stellte Wein enthielt 80 bis 100 Gramm Zucker pro Liter. Damals wurde hier nur eine Art von Johan­nis­beer­wein herge­stellt: aus roten Johan­nis­beeren mit einem kleinen Anteil schwarzer Johan­nis­beeren, die ihm Farbe und Körper verliehen.

Heute stellen Mrázik und andere Johan­nis­beer­winzer eine ganze Reihe von Johan­nis­beer­weinen her: tradi­tio­nellen halb­süßen Johan­nis­beer­wein aus roten und schwarzen Johan­nis­beeren, aber auch Barrique-Johan­nis­beer­wein, Wein ausschließ­lich aus roten, schwarzen oder weißen Johan­nis­beeren sowie halb­tro­ckenen und trockenen Wein und andere Spezia­li­täten wie Likörwein.

„Die Herstel­lung von Johan­nis­beer­wein ist ähnlich wie die von rotem Trau­ben­wein, aber anspruchs­voller, da die Johan­nis­beeren von Hand gepflückt werden müssen und auch danach ist mehr Hand­ar­beit erfor­der­lich als bei Trau­ben­wein“, so Mrázik.

Hand­lese von Johan­nis­beeren · Quelle: Mit freund­li­cher Geneh­mi­gung von Augustín MrázikEin weiterer Unter­schied besteht darin, dass Wein aus roten Trauben im Herbst herge­stellt wird, während Johan­nis­beer­wein während der heißen Tage im Juli gekel­tert wird.

„Wenn man Johan­nis­beer­wein so herstellt, wie es früher der Fall war, verdunstet der Groß­teil der Geschmacks- und Aroma­stoffe und man erhält nur einen gewöhn­li­chen Süßwein von roter Farbe“, so Mrázik.

Aus diesem Grund und wegen der Probleme, auf die Mrázik bei der Befol­gung des tradi­tio­nellen Herstel­lungs­ver­fah­rens stieß, expe­ri­men­tierte er mit Verfahren, die bei der Herstel­lung von Weiß­wein verwendet werden – kontrol­lierte Gärung bei nied­rigen Tempe­ra­turen. Das hat zur Folge, dass der Alko­hol­ge­halt höher ist, etwa 14 Prozent, was den Wein auch vor Nach­gä­rung schützt, während Aroma und Säure erhalten bleiben.

Dass ihm das gelungen ist, beweist die einzige Gold­me­daille für Johan­nis­beer­wein bei der Finger Lakes Inter­na­tional Wine Compe­ti­tion in den USA, die er im vergan­genen Jahr erhalten hat.

Quelle: Slovak Spec­tator


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