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Márton Gyöngyösi (Foto: jobbik.hu)

Die Redaktion von Unser Mitteleuropa möchte sich bei Ihnen bedanken, dass Sie sich für dieses Interview bereit erklärt haben. Wir möchten mit einer grundlegenden Frage beginnen: Wie würden Sie die Jobbik als Partei definieren? Welche Position nimmt sie auf der politischen Palette ein?

Márton Gyöngyösi: Eine der wichtigsten Lehren, die man in der vergangenen Periode aus der europäischen und ungarischen Politik ziehen konnte, war, dass die traditionelle Zuordnung der Parteien und ihre Kategorisierung im ideologischen oder politischen Sinne immer mehr an Bedeutung verlieren. Die Jobbik wurde 2003 von jungen Leuten mit rechter, konservativer und christlicher Gesinnung gegründet und diese Ideen prägen nach wie vor unsere Bewegung. Heute werden wir aber mit zahlreichen neuen Herausforderungen konfrontiert, die mit den alten Begriffen nicht mehr zu beantworten sind. In Europa erscheinen reihenweise systemkritische Parteien, deren Positionierung auf der politischen Palette nach den ideologischen Kategorien des 20. Jahrhunderts immer komplizierter ist. Die Parteien Syriza, Podemos, Fünf-Sterne-Bewegung und die Alternative für Deutschland sind binnen kurzer Zeit unumgängliche Akteure der Politik geworden, weil sie statt sich an politischen Fehden zu beteiligen für die Probleme von heute Lösungen gesucht und gefunden haben. Zwischen diesen Parteien gibt es zahlreiche Unterschiede, aber sie sind dennoch durch vieles verbunden. Es ist keine Überraschung, dass sich die alten Parteien gegen sie zusammentun und sich zu diesem Zweck notfalls auch über ideologische Gegensätze hinwegsetzen. Aus diesem Grund können wir getrost behaupten, dass die größten Unterschiede nicht zwischen den rechten und linken politischen Seiten, sondern zwischen den Parteien des 20. und 21. Jahrhunderts bestehen. Die Jobbik können wir eindeutig zu den letzteren zählen. Dank dieser Politik ist die Jobbik in den Kreis der ersten Herausforderer von Fidesz aufgestiegen. Für die Zukunft stimmt uns das Ergebnis einer internationalen Umfrage zuversichtlich, aufgrund der die Jobbik unter den Jugendlichen mit Abstand die beliebteste Partei ist, die von 53% der 18- bis 35-Jährigen unterstützt wird.

Unser Mitteleuropa: Im westlichen Teil Mitteleuropas, im deutschsprachigen Raum, sind viele mit der Arbeit von Viktor Orbán und seiner Regierungskoalition Fidesz-KDNP zufrieden. Orbán hat den Grenzzaun gebaut und geht für seine Interessen entschlossen auf Konfrontationskurs mit Brüssel. Warum braucht man dann die Jobbik und worin bestehen die Unterschiede zwischen den beiden Parteien?

Márton Gyöngyösi: Um den vorherigen Gedankengang weiterzuführen, bestehen die Unterschiede auf Systemebene. Die Fidesz ähnelt dem Großteil der ungarischen Parteien: Sie wurde zur Zeit des Regimewechsels gegründet und etablierte sich nach und nach in der ungarischen Politik. Sie beteiligte sich an der berüchtigten Räuberprivatisierung der 90er Jahre, als das nationale Vermögen zu Spottpreisen verscherbelt wurde. Sie ging Hintergrundabsprachen ein, die Ungarn in eine schwierige Lage gebracht haben. Zwischen den Korruptionsgeschäften, die während der Regierungszeit von Fidesz und der Sozialisten blühten, bestanden angesichts der zynischen, die Bürger verachtenden Weise der Machtausübung nie wesentliche Unterschiede, auch wenn auf der Oberfläche künstlich entfachte Diskussionen geführt wurden, um die Ähnlichkeiten zu vertuschen.

Als neue politische Kraft war die Jobbik nie an diesen Abläufen beteiligt und wurde entsprechend nicht Teil dieser „Elite“. Bei der Formulierung unserer Botschaften ließen wir uns stets von unserer besten Überzeugung leiten. So forderten wir von Anfang an den Schutz der nationalen Interessen und sprachen uns für einen konsequenten Auftritt gegen die Zuwanderung aus, und dies zu einer Zeit, als Fidesz diese Forderungen noch als Rassismus und Extremismus gebrandmarkt hat. Für heute hat sich aber die Lage gewendet: Die Jobbik wurde die zweitgrößte Partei Ungarns und die Fidesz muss sich mit ihr messen. Deshalb versucht sie sich einzelner Punkte unseres Programms zu bedienen, um unsere Bewegung dadurch zu marginalisieren. Dass die Kommunikation von Fidesz parallel mit dem Aufstieg der Jobbik immer radikaler gegenüber Brüssel wurde und dass sie die Gefahr der massenweise Zuwanderung erkannte, unterstreichen zwei Thesen von mir: Einerseits, dass die Jobbik die wichtigen und richtigen Fragen gestellt hat, als diese noch von niemandem gestellt wurden, andererseits, dass die Parteien des 20. Jahrhunderts alles tun würden, um die Prozesse zu wenden und an der Macht zu bleiben. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis es sich herausstellt, dass die Ziele von Fidesz nicht die Änderung der EU oder das Stoppen der Zuwanderung sind und ihre Aktionen eher machttechnische und kommunikative Griffe sind, die dem Ablassen des Dampfes dienen und keine echte Lösung bieten. Im Gegensatz dazu will die Jobbik eine systemübergreifende, echte, konkrete und langfristige nationale Strategie bieten.

Unser Mitteleuropa: Der Zuwanderungsstrom nach Europa scheint unaufhaltbar. Was sind die Vorschläge der Jobbik, wie man die Zuwanderer stoppen könnte?

Márton Gyöngyösi: Obwohl die Massenmedien und die Fidesz-Regierung bis 2015 nicht zur Kenntnis nehmen wollten, dass immer mehr Zuwanderer nach Mitteleuropa kommen, hatte die Jobbik bereits vor Jahren auf die steigende Gefahr aufmerksam gemacht. Gleichzeitig haben wir auch eine Lösung geboten und unsere Vorstellungen haben sich seitdem nicht geändert. Im Jahre 2015 war die Errichtung der Grenzsperre, der Aufbau des Zauns die dringendste Aufgabe. Wir haben uns aber von Anfang an für die Aufstellung der nach dem EU-Beitritt Ungarns aufgelösten Grenzschutztruppen eingesetzt. Nicht zufällig unterlagen bis dahin die Überwachung der Grenzen und die damit verbundenen Aufgaben einer separaten Grenzschutzorganisation. Ohne eine selbständige Organisation kann die jetzige kritische Lage nicht langfristig kontrolliert werden. Wir erachten es außerdem als wichtig, dass man die auf Druck der Union abgeschafften Flüchtlingslager wieder herstellt. Nichts unterstreicht ihre Existenzberechtigung mehr als die sich verschlechternde öffentliche Sicherheit in der Umgebung der geöffneten Lager und dass zahlreiche Zuwanderer noch vor der Beurteilung ihres Falles schlicht und einfach „türmen“ und das Land verlassen. Den Scheincharakter der Maßnahmen von Fidesz verdeutlicht, dass die Fidesz-Vertreter sich mit keiner unserer Vorschläge seriös befassen.

Was ganz Europa betrifft, bin ich fest davon überzeugt, dass sich der Ansturm auf Europa nicht mit einigen restriktiven Maßnahmen stoppen lässt. Die Alterung unserer Gesellschaften, der Arbeitskräftemangel und der kulturelle Gesichtsverlust Europas stellen Fragen dar, die einer aktiven und initiativen Sozial- und Familienpolitik oder kulturellen Maßnahmen bedürfen. Nur auf diese Weise kann nämlich unser Fortbestehen langfristig gewährleistet werden.

Unser Mitteleuropa: Was halten Sie von der Vereinbarung zwischen der EU und der Türkei, die die Flüchtlingskrise handhaben soll?

Márton Gyöngyösi: Wir halten diese Vereinbarung aus mehreren Gründen für nicht geeignet. Dieses Abkommen stoppt nämlich die Zuwanderung der Migranten nach Europa nicht, sondern es reguliert sie höchstens. Wir verfolgen nicht das Ziel, nur gewisse Gruppen einzulassen, sondern unser Land und den Kontinent zu schützen. Das Abkommen zwischen der EU und der Türkei spiegelt nach wie vor die liberale Ideenwelt wieder, die die Menschen als Arbeitskräfte, eine Art Bioroboter betrachtet und sie ausschließlich danach beurteilt, wie sie mit geringstem Aufwand größtmöglichen wirtschaftlichen Nutzen erzielen können. Diese Anschauung berücksichtigt weder kulturelle Fragen noch den wahren Wert der Menschen.

Entgegen dieser Denkweise vertreten wir die Meinung, dass man nicht die Zuwanderung fördern, sondern den Zuwanderern dazu verhelfen sollte, ihr Glück zu Hause in ihrer Heimat zu finden. Syrischen und irakischen Flüchtlingen sollte man nicht in Europa, sondern in ihrer Heimat in Syrien oder dem Irak helfen. Sollte dies wegen Kriege nicht möglich sein, so sollten diese Leute möglichst in der Nähe ihrer Länder in friedlichen Regionen betreut und darauf vorbereitet werden, ihre Heimat nach dem Kriegsende wieder aufzubauen. Für viele stellt gegenwärtig die Türkei diese friedliche Region dar, daher halten wir es für wichtig, Ankara mit den Millionen der aufgenommenen Flüchtlinge nicht alleine zu lassen. Die Türkei muss mit finanziellen und sonstigen Mitteln unterstützt werden, aber keinesfalls dürfte man um die Aufnahme von Migranten herumfeilschen.

Unser Mitteleuropa: Die Jobbik muss aus Österreich öfters den Vorwurf über sich ergehen lassen, dass sie das Burgenland zurück haben will. Hat dieser Vorwurf einen Wahrheitsgehalt und welchen Standpunkt vertritt die Jobbik in Bezug auf die von Ungarn abgetrennten Gebiete?

Márton Gyöngyösi: Ich habe keine Ahnung, welche von unseren Äußerungen solche Unterstellungen befeuert. Die Jobbik ist eine Partei, die sich nicht nur für die in Ungarn lebenden Menschen, sondern für alle Ungarn in der Welt verantwortlich fühlt. Dies gilt insbesondere für die Angehörigen der ungarischen Nation, die in den durch das Friedensdiktat von Trianon abgetrennten Regionen leben, da sie bis heute Rechtsverletzungen und Diskriminierung ausgeliefert sind. Es reicht nur daran zu denken, dass die Dekrete, die die Ungarn mit dem Makel der Kollektivschuld brandmarken und das Sprachgesetz, das die Verwendung der ungarischen Sprache mit Geldbuße sanktioniert, bis zum heutigen Tag ein Teil des slowakischen Rechtssystems bilden. In der Ukraine werden junge Leute ungarischer Abstammung an die Front geschickt, in Rumänien sind Belästigungen und Verhaftungen gegen Politiker, die sich für Autonomievorstellungen nach Südtiroler Muster einsetzen, auf der Tagesordnung. In Serbien kommt es noch immer vor, dass man auf der Straße verprügelt wird, nur weil man ungarisch spricht. Die Jobbik hat gegen diese Vorfälle schon immer ihr Wort erhoben und trat stets für die Gemeinschaftsrechte der Ungarn außerhalb der ungarischen Landesgrenzen ein. Das Schicksal der Ungarn im Burgenland ist im Vergleich dazu ein sehr positives Beispiel. Ihre Sprache und kulturellen Rechte werden respektiert, in Österreich sind die Leute nicht einer Diskriminierung ausgesetzt, nur weil sie ungarischer Abstammung sind.

Ungarn hat 70% seines Staatsgebietes verloren und bis heute gibt es kaum Menschen, die keine Verwandten in den benachbarten Ländern hätten. Wir denken, dass wir dieser Tragödie gedenken und an sie erinnern müssen. Es ist unsere Pflicht, der Einheit des Ungartums zu dienen. Gleichzeitig sind wir auch über die Realitäten im Klaren. Was wir für alle Ungarn fordern, ist nicht mehr, was wir auch allen anderen in Ungarn lebenden Nationalitäten, darunter unseren deutschsprachigen Mitbürgern garantieren wollen. Eine angemessene Form der Autonomie, die im Fall einer mehrere Hunderttausende umfassenden Gemeinschaft natürlich anders ausgeprägt ist als im Fall von Gemeinschaften in Streugebieten. Dementsprechend nimmt das Szeklerland eine Sonderstellung ein. Für das überwiegend von Ungarn bewohnte Szeklerland wünschen wir eine Autonomie, wie sie in Südtirol gang und gäbe ist. Für die ungarische Minderheit im Burgenland erachten wir hingegen die ungarischsprachige Bildung und die kulturelle Selbstbestimmung als am wichtigsten und wir konstatieren es mit größter Freude, dass diese in Österreich garantiert sind.

Unser Mitteleuropa: Einer der größten Handelspartner Ungarns ist Deutschland. Wenn die Jobbik 2018 bei den Wahlen gewinnen würde, würde sich die Beziehung zwischen den beiden Ländern ändern? Wenn ja, in wieweit?

Márton Gyöngyösi: In der außenpolitischen Strategie der Jobbik nimmt Deutschland eine Schlüsselposition ein. Deutschland bildet zusammen mit Russland und der Türkei ein Großmachtdreieck, dessen Mitglieder wir als die wichtigsten „Nachbarn“ unseres Landes betrachten. Obwohl wir keine gemeinsamen Grenzen haben, überschneiden sich die politischen und wirtschaftlichen Interessensphären dieser Länder. Folglich halten wir es für wichtig, uns nach einer ausgewogenen Beziehung zu diesen Ländern zu streben. Deutschland nimmt natürlich auch unter diesen Ländern eine Sonderstellung ein. Abgesehen von unseren 1000-jährigen kulturellen Beziehungen zum deutschsprachigen Raum ist Deutschland Europas führendes Land und gilt in Mitteleuropa traditionell als bedeutendster Machtfaktor.

Wie es um die Beziehungen zwischen zwei Ländern bestellt ist, hängt von vielen Faktoren ab. Selbstverständlich bedarf es des Willens und der Weisheit seitens der Regierungen der betroffenen Länder, um gemeinsame Punkte zu finden und sich über eventuelle Konflikte hinwegsetzen zu können. In Deutschland sehen wir große Änderungen: Die Jahrzehnte lang durch stabile Berechenbarkeit gekennzeichnete Innenpolitik wurde aufgewirbelt und in zahlreichen Gebieten wurden aus unserer Sicht inspirierende und nützliche Diskussionen in die Wege geleitet. Deshalb wäre es jetzt sehr schwer vorherzusagen, wie die Lage in Deutschland 2018 aussieht und wie die zu diesem Zeitpunkt amtierende deutsche Regierung Ungarn und eine eventuelle Jobbik-Regierung beurteilen wird. Ich kann aber versprechen, dass es nicht an uns liegen wird, die bestmögliche Beziehung zu Deutschland zu pflegen. Dies erfordern ja auch unsere gemeinsamen wirtschaftlichen und kulturellen Verbindungen und die politische Logik.

Unser Mitteleuropa: Sie haben im Mai an einer Demonstration gegen TTIP teilgenommen, worüber wir auch berichtet haben. Warum war es für Sie wichtig dabei zu sein?

Márton Gyöngyösi: Ich bin der festen Überzeugung, dass neben der Flüchtlingskrise TTIP und CETA die europäischen Staaten vor die größte Herausforderung stellen. Während das Freihandelsabkommen in der deutschsprachigen Presse und der öffentlichen Meinung relativ große Resonanz findet und, so wie ich es von Ungarn aus beurteilen kann, lebhafte gesellschaftliche Diskussionen über deren Folgen geführt werden, hat kaum einer etwas in Ungarn von diesen Abkommen mitbekommen. Das ist keine Überraschung, da Fidesz peinlich darauf achtet, mit ihrer TTIP unterstützenden Politik, die sich kaum mit ihrer kämpferischen Rhetorik vereinbaren lässt, nicht an die Toleranzgrenze der Öffentlichkeit zu gehen.

Für die Jobbik dient dagegen das Thema Schutz der nationalen Souveränität nicht nur zur Stimmensammlung, sondern wir legen viel Wert darauf, die Öffentlichkeit auf die Gefahren von TTIP aufmerksam zu machen und die Regierung von ihrer Absicht abzubringen, den Vertrag zu unterzeichnen. Aus diesem Grund hat die Jobbik den Vorschlag mitgetragen, einen Diskussionstag über TTIP zu veranstalten und hat aktiv an der Debatte teilgenommen, um die Öffentlichkeit mit den Folgen des Freihandelsabkommens vertraut zu machen. Im Kreise der Fidesz, die Amerika und Brüssel regelmäßig verbal geißelt, denkt man nicht daran, TTIP nicht zu unterstützen. Aus meiner Sicht zeigen sich die wahren politischen Bruchlinien darin eindeutig.

Unser Mitteleuropa: Die Jobbik wird von gewissen Kreisen immer noch als antisemitische Partei dargestellt, obwohl die Partei und Sie dies mehrfach dementiert haben. Diese Dementis wurden in den westlichen Medien nicht veröffentlicht und deswegen verbreitet sich vor allem in den deutschsprachigen Ländern das alte, falsche Bild von der Jobbik. Was haben Sie vor dagegen zu unternehmen? Auf dem österreichischen Blog dahamist.at wurde zum Beispiel ein ziemlich einseitiger Artikel veröffentlicht, dem zufolge ein ungarisches Gericht die Jobbik 2014 zu einer antisemitischen Partei erklärt haben soll. Was denken Sie darüber und warum reagiert die Jobbik nicht energisch und mit dem nötigen Nachdruck auf die Schmutzkampagnen im Ausland?

Die Jobbik hat öfters Unterstellungen widerlegt, die gegen die Partei gerichtet wurden und jeder Grundlage entbehrten. In vielen Fällen werden Prozesse gegen Presseorgane geführt, die die Partei mit Lügen und Vorurteilen bloßstellen wollen. Die Seriosität der gegen uns geäußerten Anschuldigungen offenbart sich darin, dass die ungarischen Gerichte uns in diesen Prozessen regelmäßig recht geben. So beschäftigt man sich in den ungarischen Medien immer mehr mit unserer Arbeit im Parlament, unseren Vorschlägen oder eben damit, dass die Mehrheit der ungarischen Jugend die Jobbik unterstützt. Obwohl weiterhin Schmähschriften erscheinen, hat die überwiegende Mehrheit der Menschen persönliche Erfahrungen mit der Partei und ihrer Arbeit, und so lohnt es sich für niemandem mehr, sich durch Lügen zu diskreditieren.

Im Ausland haben wir es logischerweise schwerer, da es aus einer Entfernung von mehreren Tausenden Kilometern viel schwieriger ist, die Glaubwürdigkeit der Berichterstattung zu prüfen. Die westlichen Medien nutzen dies regelmäßig aus. So erscheinen Artikel über uns, die in Ungarn bereits vor einigen Jahren belächelt worden wären. Im Ausland etwas dagegen zu unternehmen, ist selbstverständlich viel komplizierter. Während ein ungarischer Richter sich mit den ungarischen Verhältnissen auskennt und die Gegenpartei zur Richtigstellung verurteilt, hat man im Ausland, wo man die Partei weniger kennt, viel geringere Chancen darauf. Deshalb kann man hemmungslos solche Lügen verbreiten, wie das von Ihnen erwähnte Urteil aus dem Jahr 2014, das ganz einfach gar nicht existiert. Immer mehr Leute interessieren sich für wahre Informationen, was zur Folge hat, dass wir immer mehr korrekte Journalisten treffen, die über die Wahrheit berichten möchten.

Unser Mitteleuropa: Die Jobbik erweckt immer den Eindruck, dass sie gerne freundschaftliche oder zumindest informelle Beziehungen zu anderen nationalen Parteien in Mitteleuropa pflegen würden. Frau Krisztina Morvai, die EP-Abgeordnete von Jobbik, wechselte in die Fraktion European Alliance of Freedom, was darauf schließen lässt, dass sich ihre Beziehung zur FPÖ oder zum Front National normalisiert. Wir wissen, dass sie wegen einer unglücklichen Medienkampagne aus der EAF-Fraktion ausgeschlossen wurde. Was ist seitdem geschehen?

Márton Gyöngyösi: Die Jobbik fühlt sich nicht nur für das Ungartum, sondern auch für Mitteleuropa und die gesamte europäische christliche Zivilisation verantwortlich. Wir sind überzeugt, dass wir unsere nationale Souveränität inmitten des für unsere Zeit charakteristischen geopolitischen Strudels nur mit einem breit angelegten mitteleuropäischen Zusammenschluss verteidigen können. In dieser von den Interessen der Großmächte durchwobenen Region können wir nur dann langfristig fortbestehen, wenn wir den östlichen und westlichen Beeinflussungsversuchen widerstehen. Dies ist aber nur mit einem Zusammenschluss möglich. Die Jobbik ist daher bereit, sich mit allen politischen Kräften zusammenzuschließen, die sich für den Schutz der nationalen Souveränität und den mitteleuropäischen Zusammenschluss einsetzen, und dies auch, wenn man sich in einzelnen Fragen oder hinsichtlich der ideologischen Zugehörigkeit unterscheidet. Es gibt Fragen, die wir anders beurteilen als die FPÖ, aber wenn wir deswegen nicht in der Lage wären, in Fragen, die für Österreich und Ungarn gleichermaßen wichtig sind, zusammenzuarbeiten, würden wir verantwortungslos politisieren. Wir kennen die innenpolitischen und Medienverhältnisse in Österreich und wissen, dass die österreichischen Medien einen vollständigen Meinungsterror ausüben. In diesem Sinne schreiben wir die schrittweise Distanzierung der FPÖ den heuchlerischen österreichischen innenpolitischen Verhältnissen und den lügnerischen Pressemanipulationen zu, die sich mit der Zeit ändern werden, da die Kraft der Änderung weder in Ungarn noch in Österreich aufzuhalten ist. Wir wünschen der FPÖ viel Erfolg für die Zukunft, wir wissen genau, dass sie in einem schweren Gelände bestehen müssen. Wir wissen aber auch, dass früher oder später die Zeit kommt, wenn die nationalen Kräfte in Europa die Überhand bekommen. Das ist unvermeidlich.

 

Márton Gyöngyösi ist Abgeordneter des ungarischen Parlaments, Vizevorsitzender des auswärtigen Ausschusses des Parlaments und außenpolitischer Leiter der Jobbik. Der 39-jährige Politiker hat am Trinity College Dublin und an der Friedrich-Alexander-Universität in Nürnberg studiert und arbeitete bei den Beratungskonzernen Ernst & Young und KPMG. 2006 schloss er sich der Jobbik an und ist seit 2010 im ungarischen Parlament tätig. In seinen Reden übt Márton Gyöngyösi häufig Kritik an der Politik der Orbán-Regierung, an der Funktionsweise der EU und an den TTIP-Verhandlungen.

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