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10. Erster Besuch daheim

Ich war schon in sehr jungen Jahren fest entschlossen nicht Miete zu zahlen, sondern so rasch wie möglich ein eigenes Haus zu bauen oder zu kaufen. Ich war noch keine 23 Jahre alt, als ich als junger Mitarbeiter der Fluglinie Lauda Air eine kleine Wohnung in Wien aufgab, um in Eisenstadt ein Haus zu kaufen und die Finanzierung aufzustellen.

Die Fahrzeiten von meiner alten Wohnung in Wien Hietzing und der burgenländischen Landeshauptstadt unterschieden sich nicht. Sowohl über den Grünen Berg und die Südosttangente zum Flughafen als auch über Loretto, Stotzing und Fischamend nach Schwechat war man 45 Minuten unterwegs. Wenn es in Wien Stau gab, dann dauerte die Anfahrt in der Bundeshauptstadt entsprechend länger. Im Eisenstädter Ortsteil St. Georgen stand ein altes Bürgerhaus zum Verkauf. Es handelte sich um das älteste bewohnte Gebäude in dieser Ortschaft, die sich ganz dem Weinbau verschrieben hat.

Das Haus stammte aus dem Jahr 1697 und war von den Vorgängern liebevoll adaptiert worden. Es gab einen großen Weinkeller, eine alte Rauchkuchel und auch im Wohnzimmer selbst fand man ein tolles Gewölbe. Doch wie bei so alten Häusern üblich, gab es natürlich auch viele Stufen, die mich damals als junger Mann überhaupt nicht störten. Nun wurde dieses Haus für mich zum echten Problem. Bei meinem ersten Besuch daheim, war ich zwar bereits in der Lage aus dem Rollstuhl aufzustehen und mit Gehhilfen ganz kleine Strecken zurückzulegen, mir war jedoch nicht klar, ob ich die vielen Stufen von ebener Erde zu meiner Eingangstür auch tatsächlich schaffen würde.

Natürlich war die Freude groß, als mich an einem Samstag Nachmittag meine Frau vom Weißen Hof abholte und wir den Weg ins Burgenland antraten. Wenn man nach langer Zeit die sterilen Krankenhauswände hinter sich lässt und auf der Straße das pulsierende Leben wieder entdeckt, scheint es so als würden sich völlig neue Türen öffnen. Man erlebt alles viel intensiver und man freut sich, wieder Teil dieses wunderbaren Kreislaufes des Lebens zu sein. In Eisenstadt angekommen parkten wir dann das Fahrzeug unmittelbar vor dem von mir so gefürchteten Stiegenaufgang. Ich positionierte meinen Rollstuhl direkt vor der ersten Stufe hechtete mich mit Hilfe meiner Frau wenig elegant aus dem Rolli und schaffte die ersten drei Stufen ohne größere Probleme. Doch mit jedem Schritt wurden meine Beine schwerer und als ich letztendlich die letzte von diesen zwölf Stufen hinter mich gebracht hatte, war ich erschöpft wie nach einem 800 Meter Wettlauf in meiner Zeit als Leichtathlet. Na ja, zumindest musste ich mich nicht übergeben, wie damals vor den Augen der Zuseher im Zieleinlauf.

Doch die nächste Überraschung ließ nicht lange auf sich warten. Ich musste sehr rasch feststellen, dass der Rollstuhl zu breit war, um durch die Badezimmertür zu passen. Während meine Familie mit anderem beschäftigt war, wahrscheinlich steckten sie die Köpfe zusammen und überlegten, wie man mir beibringen sollte, das alte Haus zu verkaufen, holte ich kurzerhand meinen kleinen Werkzeugschrank und machte mich daran, den Türstock aus der Wand herauszuarbeiten, was mir nach einiger Zeit, Rolli hin oder her, tatsächlich gelang.

Der Weg zum Badezimmer war also frei. Ärgerlich nur, dass ich bis zu meinem nächsten Besuch daheim bereits so wesentliche Fortschritte gemacht hatte, dass ich bereits ohne Rollstuhl das Badezimmer aufsuchen konnte. Armer Türstock, er hatte meinen ersten Arbeitseinsatz aus dem Rollstuhl heraus nicht überlebt.

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