Ungarn: Jobbiks Zusam­men­bruch macht Orbáns Wieder­wahl wahrscheinlicher

Péter Jakab · Foto: MTI / Magyar Nemzet

Von Marcell Dengi

Die unga­ri­schen Medien waren letzte Woche scho­ckiert, als ein unga­ri­scher Milli­ardär der zusam­men­ge­wür­felten Oppo­si­tion die Ergeb­nisse einer Umfrage zu den bevor­ste­henden Wahlen (Anfang 2022) und zum sozialen Klima mitteilte.

László Bige, der 2017 der zweit­reichste Mann Ungarns war, finan­zierte die von einem links­ge­rich­teten Forschungs­in­stitut durch­ge­führte Umfrage. Bige sieht den Fidesz, die Partei von Minis­ter­prä­si­dent Viktor Orbán, als seinen eigenen schlimmsten Feind. Er ordnete die Umfrage an, um heraus­zu­finden, ob sich das Ende der Orbán-Regie­rung vorher­sagen lasse. Der Milli­ardär steht derzeit unter Haus­ar­rest, nachdem er wegen Verun­treuung von Geldern aus seiner eigenen Firma und wegen Korrup­tion verhaftet wurde. Das Ergebnis hat ihn aller­dings über­rascht: Die Zahlen spre­chen für sich und zeigen, dass Fidesz immer noch die popu­lärste Partei in Ungarn und der wahr­schein­liche Gewinner der kommenden Wahlen ist.

Die Oppo­si­ti­ons­par­teien sind immer noch scho­ckiert über die Ergeb­nisse dieser Umfrage, die von einem Institut durch­ge­führt wurde, das formal neutral ist, aber tatsäch­lich auf der Seite der Linken steht. Das Befra­gungs-Sample ist sehr groß: fünf­tau­send Personen. Die Umfrage kostete 27 Tausend Euro, was dem Mindest­lohn von 58 Ungarn entspricht. Viele Regie­rungen haben durch die Pandemie viel Unter­stüt­zung in der Bevöl­ke­rung verloren: Es wird allge­mein ange­nommen, dass dies auch der Haupt­grund für Trumps Wahl­nie­der­lage war. Gerade deshalb finden viele Menschen die Ergeb­nisse dieser Umfrage über­ra­schend. Der Fidesz liegt immer noch vor der Koali­tion der sechs großen Oppo­si­ti­ons­par­teien (35% gegen­über 33%). Unter bestimmten Wähler­schichten vergrö­ßert sich der Vorsprung des Fidesz sogar bis zu 49%. Die Umfrage zeigt auch, dass die Bereiche, in denen Orbáns Politik am besten ankommt, das Epidemie-Manage­ment und die Fami­li­en­po­litik sind (die Regie­rung hat in der Verfas­sung veran­kert, dass die Familie aus einem Mann und einer Frau besteht). Das sind genau die beiden Bereiche, in denen die Linke und die west­li­chen Medien den Fidesz am meisten angreifen. Kurzum: Die Ungarn sind mit Orbáns Politik zufrieden.

Auf der anderen Seite hätte die Oppo­si­ti­ons­ko­ali­tion einen Vorsprung von 3%, wenn sie die einzige Alter­na­tive auf dem Wahl­zettel wäre. Aber es scheint unwahr­schein­lich, dass dieser Traum wahr wird, da die meisten Parla­ments­sitze nach dem Ein-Runden-Mehr­heits­ver­fahren vergeben werden und in letzter Zeit neue Parteien auf der unga­ri­schen poli­ti­schen Bühne erschienen sind. Einer der Gründe dafür ist, dass die Haupt­partei der gegne­ri­schen Koali­tion, Jobbik, ausein­an­der­fällt. Es ist eine Partei, die von The Guar­dian als die extremste der rechten Parteien beschrieben wurde, doch in Wirk­lich­keit hat ihr neuer Führer Peter Jakab sie in eine linke Forma­tion verwan­delt. Der Nieder­gang von Jobbik begann, als eine Sprach­auf­nahme von Jakabs pein­li­cher Rede über die internen Probleme der Partei durchsickerte.

Jobbik war jahre­lang die stärkste Oppo­si­ti­ons­partei, doch 2018 entschied sich der bishe­rige Führer Gábor Vona nach einer Wahl­nie­der­lage zum Rück­tritt. Von den 26 Jobbik-Abge­ord­neten, die 2018 gewählt wurden, sind heute nur noch neun in der Frak­tion. László Toro­czkai wurde als erster wegen seiner radi­kalen Ansichten ausge­schlossen; er schuf eine neue rechts­extreme Bewe­gung, die in letzter Zeit viel Unter­stüt­zung erfährt. Hunderte seiner Anhänger gingen am 15. März auf die Straße und verur­sachten trotz der strengen Abrie­ge­lung, die im Land verhängt wurde, Unruhen. Dies zeigt, dass die Unter­stüt­zung für die Partei immer stärker wird.

Auch die anderen Mitglieder, die Jobbik verlassen haben, genießen eine durchaus rele­vante Anhän­ger­schaft. Nach dem Austritt versu­chen einige, sich anderen Koali­ti­ons­for­ma­tionen anzu­schließen, wieder andere wie János Bencsik gründen neue Parteien, da sie wissen, dass immer mehr Fidesz-feind­liche Menschen auch der Oppo­si­ti­ons­ko­ali­tion über­drüssig sein werden und keine der beiden Groß­par­teien wählen wollen. Die neuen Parteien versu­chen, diesen Menschen eine Alter­na­tive zu bieten. Aber all dies verrin­gert die Chancen auf einen Sieg der Oppo­si­tion gegen Orbán.

Marcell Dengi
MCC Visi­ting Fellow am Centro Studi Machia­velli. Student der Inter­na­tio­nalen Wirt­schaft an der Buda­pester Univer­sität für Tech­no­logie und Wirt­schaft und der School of Econo­mics am Mathias Corvinus Collegium.

 

Dieser Beizrag erschien zuerst bei CENTRO MACHIAVELLI, unserem Partner in der EUROPÄISCHEN MEDIENKOOPERATION.


1 Kommentar

  1. Während wir mit den Wünschen für ein vernüf­tiges Bayern von der CSU sitzen gelassen werden, kann Orbán weiter auf Unter­stüt­zung seiner rechten = rich­tigen Politik bauen.

    Was mich inter­es­sieren würde, welche Forde­rungen erheben die Rechtsextremisten?

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