Die Schwäche des Westens: Joe Biden’s USA und eine gespal­tene EU

US-Präsi­dent Joe Biden hat in seinem ersten Amts­jahr genü­gend Minus­punkte gesam­melt, die eine strah­lende Wieder­kehr in drei Jahren nicht sehr wahr­schein­lich erscheinen lassen.
 

Gravie­rendster Minus­punkt: Der für die USA, ebenso wie seiner­zeit in Vietnam, blamable Abgang aus Afgha­ni­stan. Eine schwere Demü­ti­gung, die Folgen hat – sowohl gegen­über Putin, der den USA fast ulti­ma­tive Forde­rungen für den Verzicht auf ein mili­tä­ri­sches Eingreifen in der Ukraine gestellt hat, als auch gegen­über dem Iran, dessen Regime bei den Verhand­lungen in Wien, keinerlei Absicht erkennen lässt zum alten, noch unter Obama ausge­han­delten Atom­ver­trag zurück­zu­kehren. Trump hat dieses Atom­ab­kommen, weil wirkungslos, aufge­kün­digt und das jetzige isla­mi­sche, anti­is­rae­li­sche Regime in Teheran, denkt nicht daran, von seinem Plan die Atom­bombe zu basteln, abzulassen.

Genauso wenig wie der nord­ko­rea­ni­sche Herr­scher trotz drohender Hunger­ka­ta­strophe plant, von seiner atomarer Aufrüs­tung samt Verfüg­bar­keit von Träger­waffen im Kurz-Mittel- und Lang­stre­cken­be­reich abzu­lassen. Die nukleare Abschre­ckung ist die Über­le­bens­ga­rantie für sein Regime. Dasselbe gilt übri­gens auch für die Mullahs im Iran, was beson­ders Israel beun­ru­higt, das zwar weniger laut­stark wie unter Netan­jahu, aber in der Sache unver­än­dert,  in den atomaren Plänen Irans eine Gefähr­dung seiner Exis­tenz sieht. Zu Recht, wie ich meine.

Denn das schii­ti­sche Regime sieht sich als Speer­spitze gegen Israel und versorgt, die Hisbollah im Libanon, die sich nun auch in Syrien fest­ge­krallt hat, mit Waffen, ebenso wie die Hamas in Ghaza. Eine nukleare Aufrüs­tung Irans ist für Israel, das selbst über eine atomare Abschre­ckung verfügt, eine Sicher­heits­frage ersten Ranges. Wird zwar nicht offi­ziell zuge­geben, ist aber so.

Und ob die USA unter Biden bereit und willens sind, für Israel den Kopf hinzu­halten, ist die große Frage. Genauso, wie Biden nicht bereit ist, der Ukraine mili­tä­risch den Rücken zu stärken. Er versucht es über den Umweg von Sank­tionen. Diese setzen sowohl Iran als auch Russ­land gehörig unter Druck. Aber Putin hat ein ausge­prägtes Senso­rium für die Schwäche Bidens und wird diese ausreizen.

Dies zeigt sich  gerade jetzt zum Jahres­wechsel in Kasach­stan. Dem Hilferuf des klep­to­kra­ti­schen Regimes, das mit dem Aufstand der Bevöl­ke­rung nicht fertig wird, hat er umge­hend mili­tä­ri­sche Hilfe geleistet, mir Fall­schirm-Einheiten. Und er kann sich auf ein Sicher­heits­ab­kommen mit Kasach­stan stützen. Wo einige der größten Erdgas­vor­kommen der Welt spru­deln, lässt Putin keine unklare Macht­si­tua­tion zu. Eben­so­wenig wie in Weiß­russ­land, wo der demo­kra­tie­po­li­ti­sche Funke auf Russ­land über­springen könnte.

Kolla­te­ral­schäden für Europa

Dies alles berührt natür­lich die euro­päi­sche Sicher­heit. Eine mili­tä­ri­sche Eska­la­tion in der Ukraine, wäre eine Kata­strophe, denn es würde, die Türkei – immer noch ein Nato Verbün­deter – in den Konflikt hinein­ziehen, Flücht­lings­ströme, würden die angren­zenden NATO Partner Polen und Deutsch­land, direkt berühren, ganz abge­sehen davon, dass Polen einen mili­tä­ri­schen Vorstoß Russ­lands in die Ukraine, als unmit­tel­bare Bedro­hung einstufen und den NATO Fall ausrufen würde. Daran wird weder der Besuch des Außen­be­auf­tragten der EU Josep Borell etwas ändern, noch die Antritts­vi­site der grünen deut­schen Außen­mi­nis­terin Anna­lena Baer­bock in Washington.

Die EU ist für Washington trotz der Lippen­be­kennt­nisse Bidens, kein ernst­zu­neh­mender Partner. Sie bleibt eine soft-power, in sich selbst – nach dem Austritt Groß­bri­tan­niens geschwächt, in der Ener­gie­frage gespalten. Die Frage, ob die Atom­energie als grün und klima­neu­tral einge­stuft werden soll, treibt eine Keil in den Zwei­takt­motor der EU von Frank­reich und Deutsch­land. Macron besteht auf dem Ausbau der Atom­kraft, Deutsch­land steigt aus, die Grünen wollen die EU wegen ihres Vorstoßes, Atom­energie als grün einzu­stufen, am liebsten klagen, – ohne Aussicht auf Erfolg. Denn die nötige quali­fi­zierte Mehr­heit im Rat dafür ist illusorisch.

So werden die Grünen in der Ampel­ko­ali­tion in Berlin Stück für Stück von der Realität einge­holt und ihrer Basis und Glaub­wür­dig­keit beraubt. Ganz abge­sehen davon, dass die Atom­frage ein veri­ta­bler Spalt­pilz Ampel­ko­ali­tion in Berlin ist.

Zur Autorin:
Ursula Stenzel war von 1972 bis 1995 ORF Auslands­re­dak­teurin, vielen Zuschauern der Zeit im Bild als Mode­ra­torin bekannt, von 1996 bis 2005 Abge­ord­nete zum Euro­pa­par­la­ment und Leiterin der ÖVP Dele­ga­tion, von 2005 bis 2015 Bezirks­vor­ste­herin des ersten Bezirks in Wien, von 2015 bis 2020 Stadt­rätin für die FPÖ im Wiener Rathaus. Da sie nun unab­hängig und partei­unge­bunden schreiben will, ist sie aus der Frei­heit­li­chen Partei ausge­treten, der sie aber nach wie vor nahe steht. Stenzel schreibt regel­mäßig auf ihren Blog ursula-stenzel.at.

Neuerschei­nung: WIE IM FLUG – Etappen meines Lebens

Hoch­dra­ma­tisch liest sich der erste Teil der nun von Ursula Stenzel vorge­legten, reich bebil­derten Auto­bio­grafie, in der sie auch auf das Schicksal der Schwester ihres Vaters und deren jüdi­schen Mannes eingeht, die unter drama­ti­schen Umständen in die USA emigrieren konnten – Sozi­al­de­mo­kraten der ersten Stunde und Zeit­zeugen der Ersten Repu­blik. Im zweiten Teil wendet sich Ursula Stenzel ihrer jour­na­lis­ti­schen Karriere im ORF zu, wo sie als Nach­rich­ten­spre­cherin zu einem der bekann­testen Gesichter des Landes wurde.

Das Buch ist über den Leopold Stocker Verlag zu beziehen
www.stocker-verlag.com/buch/wie-im-flug/




3 Kommentare

  1. Übersee hat in vielen Fällen versagt und schwä­chelt nicht nur, sondern sich selbst ruiniert.
    Finan­ziell ist schon fast bank­rott und wird nur von den $ noch im Leben gehalten, wie lange.
    Wenn die EU in dieser Lage nicht für ihre eigene Inter­esse sich einsätzt, ist sie verloren.
    Entweder jeder darf Atom­waffen haben oder keiner.
    Frieden braucht keinen Waffen nur handeln, fertig, wollen wir das?

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  2. Zu Iran/Israel:
    da Israel ja selbst über ein entspre­chendes Atom­waf­fen­ar­senal verfügt, ist es auf den atomaren Schutz­schirm der USA nicht angewiesen.
    Daher halte ich, abge­sehen von der Rhetorik, das Mullah-Regime im Iran nicht für so selbst­mör­de­risch, eigene Atom­waffen gegen Israel einzu­setzen sondern sehe sie als Rück­ver­si­che­rung, ähnlich wie in Nordkorea. 

    Ein Regime­wechsel im Iran wäre ein Sehen, nicht zuletzt für die Iraner, und dies­be­züg­lich erscheint mir, bei aller Ableh­nung Obamas, der von ihm einge­schla­gene Weg der ursprüng­lich ziel­füh­ren­dere, der aber dem Iran wesent­lich mehr im Hinblick auf Sank­ti­ons­auf­he­bungen hätte bringen müssen. 

    Jetzt ist die Situa­tion verfahren: Trump ist weg, ein Regime­wechsel im Iran in weiter Ferne, und mit der bereits teil­weisen Über­nahme chine­si­scher Massen­über­wa­chungs­me­thoden im Gefolge von Corona der mora­li­sche Anspruch des Westens dahin. Wobei sich ja an Afgha­ni­stan gezeigt hat, welche Unrechts- und Korrup­ti­ons­re­gime durch den Westen instal­liert und erhalten werden, dass die Einhei­mi­schen sogar in den Taliban eine bessere Alter­na­tive sehen konnten.

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  3. Wieder­wahl? „Sleepy Joe“ fällt schon jetzt regel­mäßig aus und damit auf, und seine Ersatz­bänk­lerin macht auch schon einen rampo­nierten Eindruck.

    Vieles wird somit von der nächsten Nach­rü­cker­liga abhängen.

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